Vortragsabend von Sieglinde und Fritz Mierau, Berlin zu ihrem neuen Buch über Pawel Florenski (1882-1937) „Von der Magie des Wortes“

Helene Schmidt und Taja Gut

Worte können beflügeln und trösten, können verletzen und töten und schließlich ganze Völker verführen, was wir Deutsche schmerzlich erfahren haben. Die Dichter allerdings bezweifeln, dass das Wort die Welt positiv verändern kann. Ganz anders erleben wir das bei Pawel Florenski. Bei ihm ist alles Sein vom Wort untrennbar, das menschliche wie das materielle. 
Pawel Florenski ist väterlicherseits russischer und mütterlicherseits armenischer Abstammung, er war ein begabter Wissenschaftler, zugleich aber auch Theologe und Philosoph. Der Kaukasus am Schwarzen Meer ist seine Heimat, sein späterer
Verbannungsort liegt am Weißen Meer. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich sein dichterisches Schaffen. Für sein Buch „Eis und Algen“ besorgten Sieglinde und Fritz Mierau Übersetzung und Herausgabe und stellten dies im Kunstverein bereits 2004 vor. Sein umfangreichstes Werk hatte Pawel Florenski „Konkrete Metaphysik“ genannt. Nach nunmehr 90 Jahren wurde dies von Fritz und Sieglinde Mierau übersetzt und gemeinsam mit dem Pforte-Verlag Dornach in der Schweiz unter dem Titel „Von der Magie des Wortes“ herausgegeben. Lektor ist der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Taja Gut
aus Norwegen, der ebenfalls Gast am Schlosskamin war.
Der Titel „Von der Magie des Wortes“ ist sehr treffend gewählt, denn wenn Worte verzaubern können, dann sind es die von Pawel Florenski. Bei ihm scheint im einzelnen immer das Universelle hindurch, es gibt keine Trennung von Natur und Kultur, wohl aber eine Polarität, die sich ergänzt, ebenso wie sich Freiheit und Begrenztheit ergänzen, wie Konkretes und Abstraktes, wie der Orient und der Okzident. Überall scheinen Kraftfelder vorhanden zu sein, die Florenski mit Worten benennt, mit Worten, die von einem ungeheuren Sprachreichtum künden. Wenn er einen Ritt auf dem Pferd durch die Steppe beschreibt, sieht man die Einheit von Natur und Mensch als gebündelte Energie förmlich vor sich, und glaubt ihm unbesehen, dass er „den Azur nicht beherrschen will, wohl aber in seine Seele aufnehmen.“
Seine Verwunderung über die kleinen und großen Dinge in der Naturwissenschaft verwandelt er in Poesie und überträgt diese auf den Leser. Man fragt sich, warum ist mir nicht aufgefallen, dass Bucheckern dreikantig sind und somit gar nicht der Norm von anderen Samen entsprechen, warum verwundert es mich nicht, dass es so viele Algen mit phantasievollen Formen gibt, warum können wir unsere Gedanken nicht so „entfalten“ und so viele Geheimnisse entdecken wie Florenski? Da wird man aber gleich getröstet mit der Antwort, die er an einen Freund schreibt, der sich bei ihm beklagt, dass er gern viel Großes vollbringen möchte, was ihm aber nicht gelingt. „Sei, der du bist!“ und bringe das, was dir an Gaben gegeben ist zur Vollendung, so wirst du höchste Zufriedenheit erlangen.
Das Fazit von Florenskis Überlegungen lautet: Wenn das Wort auch machtlos ist, schafft es sich doch Macht in der Welt, denn das Wort wird aus menschlicher Energie geschaffen und ist der Beginn allen Seins.

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