Oblomowerei - Was ist das denn?

Uwe Jordan liest aus Iwan Gontscharows Roman "Oblomow" 2016Interessantes aus der Literatur bot Uwe Jordan erneut beim Hoyerswerdaer Kunst Verein mit einer Lesung zu Iwan Alexandrowitsch Gontscharows Roman "Oblomow".

Die Frage nach der Oblomowerei kann eigentlich nur der Schriftsteller Iwan Gontscharow (1812-1891) selbst beantworten. Und auch er musste einen neuen Begriff finden für den Charakter, den er seinem Titelhelden Ilja Iljitsch Oblomow im wahrsten Sinne des Wortes andichtete. Eindeutig ist er nicht zu beschreiben. War Oblomow nur faul und träge, war er ein antriebsloser Träumer, war er einer, der geistig verarmte, weil er es nicht nötig hatte zu arbeiten oder war er wissend um die Torheit menschlichen Hastens und Treibens?
Wahrscheinlich ist von jedem etwas dabei. Als er starb jedoch, waren seine Witwe, sein kleiner Sohn und seine näheren Freunde tief erschüttert und trauerten aufrichtig um ihn.
Geschrieben wurde der Roman im Jahr 1859. Da herrschte in Russland noch die Leibeigenschaft vor, diese wurde erst 1861 per Gesetz abgeschafft. Doch die Gedanken der Aufklärung hatten auch den Zaren Alexander II. erreicht, dessen Mutter die Tochter von Friedrich Wilhelm III. und Luise von Mecklenburg Strelitz war. In Gontscharows Roman klingt diese neue Epoche bereits leise an.
Ilja Iljitsch Oblomow ist ein junger Adliger, dem in der Kindheit jedwede Fürsorge der Eltern zu Teil wurde. "Diese verstanden zwar den Nutzen der Bildung, aber nur den äußeren, von einem inneren Bedürfnis zu lernen hatten sie nur eine unklare Vorstellung. Es kam darauf an, ihrem geliebten Ilja gewisse glänzende Privilegien zu verschaffen... So wurde der junge Oblomow verzärtelt wie eine exotische Blume im Treibhaus."
Am Beginn des Romans, die Eltern sind inzwischen verstorben, finden wir Oblomow ausschließlich in ein und demselben Zimmer, in einem bequemen Schlafrock im Bett. Allein die Beschreibung dieses Zimmers und die durchaus klugen Überlegungen Oblomows zwischen dem Aufstehen können und dem nicht unbedingten Müssen zeigt die große Begabung des Schriftstellers Gontscharow.
Mit seinen Untergebenen unterhält sich Oblomow beinahe auf Augenhöhe, nur ab und zu besinnt er sich seiner Stellung und kommandiert sie herum, doch bald hat er seine Anweisungen vergessen und lässt sie gewähren. Der Verwalter seiner Güter schickt Schreiben um Schreiben, diese legt Oblomow als störend beiseite. Er zermartert sich den Kopf mit vielen Plänen und Visionen, bis er feststellt, es geht auch ohne ihn, weshalb weiter so Kräfte zehrend nachdenken? Zwei Freunde spielen eine Rolle in seinem Leben, der eine nutzt die Lethargie Oblomows zum eigenen Vorteil aus, der andere, Andrej Stolz, versucht zeitlebens Oblomow vor seiner inneren Trägheit zu schützen. Doch dieser wiederum kann dem umtriebigen Leben des Freundes nichts abgewinnen: "Und so etwas nennt sich Leben!", ist Oblomows Resümee.
Falls jemand nach spannender Handlung sucht, muss er lange lesen. Erst, als sich Oblomow doch einmal aus seinem Bett erhebt, als er eine neue Wohnung suchen muss und als Olga, die große Liebe in seinem Leben erscheint, kommt Spannung auf, doch auch diese Leidenschaft währt nur so lange wie Oblomows Vorrat an Energie reicht. Das ist, der Leser weiß es inzwischen, nur vorübergehend zu erwarten. Das Vorhaben einer Heirat wird durch die aktive und attraktive Olga anstrengend und unbequem. So heiratet er kurzerhand seine Haushälterin Agafja, von ihr wird er bestens betreut, geliebt und bewundert, große Veränderungen seines beschaulichen Lebens sind nicht von Nöten. Freude und Wohlgefühl sind komplett als Sohn Andrei geboren wird. 
Sein Freund Stolz heiratet Olga. Und nach Oblomows Tod nehmen sie den kleinen Andrei zu sich und weinen gemeinsam mit der Mutter und Witwe Agafja, "sie alle verband eine gemeinsame Sympathie, die Erinnerung an die kristallklare Seele des Verstorbenen." Das Wort Oblomowerei wird zum geflügelten Wort, wofür steht es nun wirklich? Uwe Jordan sei Dank, dass er an Schriftsteller einnert, die zeitlos die Fragen nach Sinn und Unsinn des menschlichen Lebens stellen.

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