Vortragsabend von Katrin Gemser, TU Dresden, Thema: „Literatur zum Städtebau in der DDR“

Die Architektur kann man als Chronik der Zeiten verstehen, die auch dann noch zu uns spricht, wenn die Lieder und Sagen schon verstummt sind. Diese Gedanken kann man bei Nikolai Gogol nachlesen.
Nach dem 2. Weltkrieg waren die deutschen Städte vielerorts zerstört, zerstört war damit auch ihr Charme, der durch viele Jahrhunderte gewachsen war. In kürzester Zeit mussten vorrangig Wohnungen gebaut werden, und das schneller als bisher und kostengünstiger. In der DDR erinnerte man sich an die Anfänge des industriellen Bauens durch die Bauhausarchitekten, die genau diese Kriterien erfüllten. So begannen in den 50-er Jahren Institute und Akademien mit der Verwirklichung eines Wohnungsbauprogramms, gelenkt durch eine zentrale Planwirtschaft und durch die Sozialistische Einheitspartei. Was aber bald vernachlässigt wurde, war die Forderung eben dieser Architekten nach individueller Gestaltung trotz aller Industrialisierung.
Zur Realisierung des Programms wurden Betonfabriken gebaut, in denen witterungsunabhängig und in 3-Schichten Typen- Elemente vorgefertigt werden konnten, die zur Baustelle transportiert und mit Kränen montiert wurden. Von den Bauleuten waren nun ganz andere Fertigkeiten als die erlernten gefragt. Sie wurden zu Fließbandarbeitern degradiert. Von der Ostsee bis zum Fichtelberg tauchten Einheitshäuser auf ohne landschaftsgebundenen Reiz und ohne individuelle Schönheit.
Genau dieser Widersprüche nahmen sich die Schriftsteller der DDR kritisch an.
Analysiert und bewertet hat Katrin Gemser diese Literatur im Rahmen ihrer Magisterarbeit „Literatur zum Städtebau in der DDR“. Sie hatte eine sehr überschaubare und logische Auswahl getroffen.
Geht es im Roman „Ein Haus am Rande der Stadt“ von Gertrud Morgner hauptsächlich um den Verlust des Berufstandes und um die Haltung des einzelnen zur Partei, ist bei Erik Neutsch mit „Spur der Steine“, angesiedelt im Mitteldeutschen Industriegebiet, eine kollektive Wandlung in der Brigade Balla vom Quertreiber zum Mitgestalter des sozialistischen Systems nachzulesen. Und doch hat man das Gefühl, Neutsch hat die Fabel nur deshalb so gewählt, um sie veröffentlichen zu können, denn es gibt in dem Buch viele kritische, wenn auch heiter verpackte Passagen.
Neben „Morisco“ von Alfred Welm und „Die Architekten“ von Stephan Heym, in denen sehr viel Resignation zu spüren ist, stellte Katrin Gemser den Roman „Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann vor.
In diesem Roman wird vom Einzelnen Verantwortung gefordert, die es gegenüber einem staatlichen System und gegenüber der Partei durchzusetzen gilt. Die Architektur ist nicht nur das Bauen an sich, sie ist Ausdruck vom Zusammenleben in einer Stadt, vom unverwechselbaren Duft derselben und vom Wohlgefühl der darin Wohnenden, das alles getragen von einer einzigartigen Idee. Dazu hatte Brigitte Reimann, mit Hoyerswerda vor Augen, eine Menge Kritisches anzumerken. Und trotzdem strahlt ihr Roman im Gegensatz zu den meisten anderen viel jugendliche Frische und Hoffnung aus. Er endet mit der Vision, dass es sie geben muss, „die kluge Synthese zwischen gestern und heute, zwischen tristem Blockbau und heiter lebendiger Straße, zwischen dem Notwendigen und dem Schönen.“

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